Von Plänen, Zufällen und Vertrauen

Von Plänen, Zufällen und Vertrauen

Mit zwei kleinen Kindern und Hausbau noch eine Betriebsübernahme anzugehen – das klingt nicht nach jemandem, der Herausforderungen scheut. Und doch bezeichnet sich Jessica Beitzel, 34 Jahre, selbstständige Bestattermeisterin, als vorsichtigen Menschen. Eine gute Voraussetzung für die Selbstständigkeit, denn zu viel Risikofreude kann die Erfolgsaussichten schmälern.

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Von Plänen, Zufällen und Vertrauen

Mit zwei kleinen Kindern und Hausbau noch eine Betriebsübernahme anzugehen – das klingt nicht nach jemandem, der Herausforderungen scheut. Und doch bezeichnet sich Jessica Beitzel, 34 Jahre, selbstständige Bestattermeisterin, als vorsichtigen Menschen. Eine gute Voraussetzung für die Selbstständigkeit, denn zu viel Risikofreude kann die Erfolgsaussichten schmälern.

Auf einen Blick

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In der Jugend – sehr gute Schülerin eines Gymnasiums, Mutter gelernte Erzieherin, Vater im IT-Bereich tätig – deutete erst einmal nichts darauf hin, dass Jessica den Beruf der Bestatterin ergreifen würde. Als sie im Teenageralter keine Lust auf die Schule hatte, sagte ihr Vater aus Spaß: „Mach‘ doch eine Ausbildung bei Herrn Odenthal.“ Das war der Bestattermeister, der zufällig in der Nähe ihres Neusser Elternhauses wohnte. Was als kleine Frotzelei am Mittagstisch begann, nahm jedoch rasch Formen an, denn „gerade, weil es mir niemand zuzutrauen schien – ich war damals ein bisschen schüchtern – habe ich mir gesagt: Ich mache ein Praktikum!“ erzählt Jessica Beitzel. Das Ferienpraktikum gefiel ihr so gut, dass sie den Entschluss fasste, eine Ausbildung im Bestattungshaus Odenthal zu beginnen. Danach ging es Schlag auf Schlag: Bei der Gesellenprüfung bereits auf Kammer-, Landes und Bundesebene als Beste ausgezeichnet, erhielt die Nachwuchs-Handwerkerin Begabtenförderung und startete bald auch mit der Meisterfortbildung, die sie 2012 eben falls als Jahrgangsbeste abschloss. Ihr Wissen setzt Beitzel heute als Dozentin in der Aus- und Weiterbildung und als Mitglied im Prüfungsausschuss ein.

Die Motivation

Vor etwa zehn Jahren lernte Jessica Beitzel die damalige Leiterin des Unternehmens Bestattungen Hüsgen, Barbara Hüsgen, kennen – durch Zufall: „Wir hatten direkt eine Wellenlänge, und ich dachte noch: „Schade, dass dort keine Stelle frei ist“, lacht sie heute. Mitte 2015, einige Monate nach der Geburt ihrer ersten Tochter, ergab es sich, dass eben dieser Betrieb eine Aushilfe suchte. Beitzel stieg mit ein paar Stunden ein und steigerte mit der Zeit die Arbeitszeit. Verantwortung und Mitarbeiterzahl wuchsen, die „Wellenlänge“ blieb, und am Ende war man sich einig: Das Unternehmen sollte an Jessica Beitzel und ihren Mann Dennis, der inzwischen auch in den Betrieb eingetreten war, übergehen.

„Das Vertrauen zwischen meiner Chefin und mir hat im Übergabeprozess geholfen.“

-Jessica Beitzel

Die Entscheidung fußte auf mehreren Überlegungen: Barbara und Rolf Hüsgen betrieben zu diesem Zeitpunkt zwei große Betriebe, neben dem Bestattungshaus noch eine Tischlerei. Beide Betriebszweige konnten und wollten sie nicht weiterführen, in der Familie gab es keinen potentiell Nachfolgenden, und das gegenseitige Vertrauen zwischen der Chefin und ihrer Mitarbeiterin bildete eine solide Basis für den anstehenden Übergabeprozess. Ein großer Vorteil: Von Anfang an stand Beitzel als Nachfolgerin fest („Wenn wir das machen, dann nur mit dir“).

Die Herausforderungen

In einem ersten Schritt erfolgte 2019 die Trennung der beiden Firmen. 2024 war die Übergabe geplant; dann gab es eine Änderung im Zeitplan – die Inhaber konnten sich vorstellen, früher aufzuhören: 2021. Der Faktor Zeit, so Beitzel, sei nicht zu unterschätzen. Denn in der Folge kam es immer wieder zu Verzögerungen. Der Businessplan, den sie ganz ohne Hilfe schrieb, fand bei den Banken großen Anklang. Mit ihrem Konzept und ihrer Persönlichkeit konnte sie überzeugen, und auch bei der Firma sahen die Finanzfachleute keine Probleme. Trotzdem wurde das Vorhaben zunächst abgelehnt. Der Grund: Beim privaten Hausbau war die inzwischen vierköpfige Familie schlecht beraten worden. Als schließlich ein Geldinstitut gefunden war, tat sich beim Thema „Sicherheiten“ ein neues Hindernis auf: Die Bürgschaftsbank, die inzwischen mit ins Boot geholt worden war, sah den

vereinbarten Preis als zu hoch an. Da hieß es Nachverhandeln mit den Eigentümern beziehungsweise Übergebern. Ein heikler Punkt, der viele Übergaben scheitern lässt, wie HWK-Betriebsberater Kai Hambüchen bestätigt. Den Familien Beitzel und Hüsgen kam hier zugute, dass man „immer ehrlich miteinander war.“ So wurde auch diese Klippe gemeistert. Zum Schluss wurde Jessica Beitzel übergangsweise als Betriebsleiterin eingestellt, um die knapp werdende Zeit zu überbrücken.

Die Umsetzung

Im Frühjahr 2022 konnten die neuen Eigentümer schließlich auch den Rest ordnungsgemäß abwickeln wie etwa Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren oder Pfarreien, Friedhöfe und Lieferanten unterrichten. Die Unterschriften, die sie zur Inhaberin von „Bestattungen Hüsgen“ machten, setzte Beitzel gemeinsam mit ihrem Mann im Mai 2022 unter die Verträge. Dieser letzte Schritt, verbunden mit etwas Herzklopfen, wie die Jung-Unternehmerin offen zugibt, besiegelte dann den Übergabe-Prozess.

Und heute? Das Unternehmen ist – auch personell, mit vier Vollzeitkräften, einer weiteren Teilzeit kraft, zwei Auszubildenden und acht Aushilfen – solide aufgestellt. Die Lehren aus der geglückten Nachfolge: Jessica Beitzel rät dazu, das komplexe Gebilde aus Finanzierung, Förderung, personellen, rechtlichen und zwischenmenschlichen Einflussfaktoren nicht zu unterschätzen, und Beratung durch unabhängige Stellen wie die HWK frühzeitig in Anspruch zu nehmen. Ein gutes persönliches Netzwerk helfe dabei, sich auch durch kleine Rückschläge nicht entmutigen zu lassen.

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